1.Frage: Wieso wurde Handy-Strahlung als karzinogen der Gruppe 2B eingestuft,
basierend auf wachsender Gliom-Gefahr, einer bösartigen Art von Gehirntumor
durch die International Agency for Research on Cancer (IARC) und der WHO?
Die Zahl der Mobilfunkanschlüsse wird auf 5 Milliarden weltweit geschätzt. Mit
steigender Besorgnis über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat die IARC
im Jahr 2010 einunddreißig Experten eingeladen, Beweise mit krebserzeugender
Wirkung von Handy-Strahlung zu bewerten. Die IARC versammelte Experten am
Hauptsitz in Lyon, Frankreich, in einer Sitzung, die zwölf Tage im Jahr 2011
dauerte. Die Experten teilten sich die komplexe Aufgabe der Durchsicht der
Expositionsdaten, der Studien von Krebs beim Menschen, der Studien von Krebs
bei Versuchstieren, der mechanistischen und andere relevante Daten. Es wurde gruppenweise
getrennt und zusammengearbeitet, um
viele hundert Studien zu sichten. Nach intensiven Beratungen haben wir
uns auf die 2B Klassifikation geeinigt.
2. Frage: Auf der einen Seite sagen die Betreiber von Basisstationen und die
Industrie-Beteiligten, dass Handy-Strahlung nicht zu Krebs führt, auf der
anderen Seite vertreten die Bewohner oder Aktivisten einen Vorsorge-Standpunkt,
indem sie sagen, dass es Krebs verursachen kann. Warum gibt es keine Klarheit?
Die IARC-WHO-Klassifikation der Handy-Strahlung wird von der Industrie falsch
dargestellt. Die Klassifizierung von Handy-Strahlung als "möglicherweise
karzinogen für den Menschen" bedeutet, dass es genügend Studien gibt, die
zeigen, dass sie vielleicht Krebs verursacht und dass wir dringend mehr
Forschung brauchen, um diese Frage zu klären. Der stärkste Beweis, dass vielleicht
Krebs verursacht wird, kommt aus drei epidemiologischen Studien. Im Jahr 2011
standen zwei Gruppen von Studien zur Verfügung – die EU-Interphone-Studie und
eine Reihe von Studien der Lennart Hardell-Gruppe in Schweden. Kürzlich wurde
noch die CERENAT-Studie aus Frankreich im Jahr 2014 veröffentlicht, sie zeigte,
dass Personen bei Handy-Benutzung von mehr als zehn Jahren und für eine halbe
Stunde pro Tag ein höheres Risiko für die Entwicklung von Gehirntumoren haben.
In der Tat reichen jetzt die Beweise aus, um Handy-Strahlung als
wahrscheinliches Karzinogen zu betrachten – also die Gruppe 2A der IARC-Skala (
Kanzerogenität) zu wählen.
3. Frage: Könnten Sie Ihre Arbeit über Handy-Strahlung beschreiben? Haben Sie gefunden,
dass es negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gibt und wenn ja,
in welcher Weise?
Unsere Forschung hat gezeigt, dass menschliche Zellen, die im Labor der Handy-Strahlung
ausgesetzt wurden, eine Reihe von biochemischen Reaktionen in ihnen als
"Stress-Reaktion" aktivieren, was bedeutet, dass die lebenden Zellen
Mobilfunkstrahlung als potenziell gesundheitsschädliche Substanz erkennen.
Stressreaktionen sind Signale, die die lebende Zelle von allen möglichen Schäden
schützen sollen. In der von uns durchgeführten Studie von 2008 wurde eine
kleine Fläche der Haut des menschlichen Unterarms an zehn Freiwilligen den GSM-Signalen für eine Stunde ausgesetzt.
Danach wurden Teile der Haut, die der Strahlung ausgesetzt waren und solche der
unbestrahlten Haut gesammelt und einer "Proteom-Analyse" unterzogen. Darin
wurden alle Proteine aus den Hautproben entnommen und die Mengen der
verschiedenen Arten von Proteinen von bestrahlten und unbestrahlten Hautproben
verglichen. Nach der Analyse von fast 580 Proteinen identifizierte wir acht
Proteine, die statistisch signifikant beeinflusst waren. Wir haben
festgestellt, dass die Menge der verschiedenen Proteine nach der Bestrahlung verändert
waren. Nach der Gewinnung dieses
Ergebnisses in der Pilot-Studie an zehn Freiwilligen wollten wir eine größere
Studie mit 100 Probanden ab 2009 durchführen. Diese Studie kam aufgrund mangelnder Finanzierung und dem
Widerstand der Interessengruppe der Telekom-Industrie nicht zustande.
4. Frage: Warum konnte die Regierung die Mittelsperre nicht sanktionieren? Was
ist passiert?
Meine Laborstudien über die Auswirkungen von Handy-Strahlung auf die
menschliche Gesundheit begannen im Jahr 1999. Mein Labor, das von der Regierung
getragen war, wurde in 2013 aufgrund fehlender finanzieller Mittel geschlossen,
als bestimmte Handy-Hersteller und Netzbetreiber in Finnland geschlossen gegen
die Langzeit-Studien am Menschen opponierten. Wir erhielten Zuschüsse von der
Regierung, um Studien durchzuführen, aber trotz der positiven
Forschungs-Fortschritte wurde unsere Finanzierung gestoppt. Wir wurden von der
Finanzierung abgeschnitten, weil die Telekom-Industrie dagegen war.
Während der Großteil der Finanzierung solcher Forschungsprojekte aus
Steuergeldern erfolgt und die Industrie-Mittel nur ein Teil des Geldes
ausmachen, wird der Rat der Branche bei der Sanktionierung der Mittel von der
Regierung hoch bewertet.
5. Frage: Wie viele Mittel wurde in den letzten 15 Jahren aufgewendet und wie
viel mehr Mittel wären erforderlich, um Ihr Studium zu einem echten Abschluss
zu bringen?
Ich habe Auswirkungen der Handy-Strahlung für den finnischen Strahlenschutz und
die nukleare Sicherheitsbehörde untersucht. Meine Arbeitsgruppe hat in einem
Zeitraum von 15 Jahren über eine Million Euro aufgewendet. Einige Personen in
der finnischen Bürokratie haben beschlossen, dass die Grundlagenforschung an
die Universitäten gehört und damit die Grundlagenforschung in den Labors der von
der Regierung betriebenen Institute beendet,
um Geld für das Jahr 2013 zu sparen. Die Studie von 2009 war für drei Jahre
Dauer geplant und brachte die Einschreibung von 100 menschlichen Freiwilligen
mit sich. Es gab eine sehr reale Möglichkeit der Sicherung der Mittel aus dem
EU-Forschungsprogramm, aber das in
Anspruch zu nehmen wurde meiner Forschungsgruppe nicht erlaubt. Um die abrupt
gestoppte Studie am Menschen fortsetzen zu können, würden wir einige Viertel
Millionen Euro brauchen.
6. Frage: Glauben Sie, dass die von dem indischen Telekommunikationsministerium
im September 2012 bei 450 mW / m² (900 MHz) für elektromagnetische (EMF)-Strahlungsdichte
festgesetzten Standards, die ein Zehntel von dem betragen, was von der Internationalen Kommission für nichtionisierenden
Strahlenschutz (ICNIRP) vorgeschrieben wird, Maßstab genug ist, wenn die
Regierung im September 2012 zugab, dass 95% der Basisstationen unter den
überarbeiteten Normen von 450 mW / m² Strahlung lagen? Auch wenn die meisten Sende-Türme
deutlich unter den zulässigen Grenzen liegen, was ist dann die Logik hinter dem
Beschluss des Telekom-Ministeriums für die verordnete Senkung von 4500 mW / m² auf
450 mW / m²?
ICNIRP ist eine Organisation von Wissenschaftlern, die behaupten, dass sie in
ihren wissenschaftlichen Meinungen unabhängig sind. Allerdings gibt es ein
großes Problem: ICNIRP wählt seine Mitglieder
in der Weise aus, die vergleichbar mit "Privatclub"-Praktiken ist:
Die jeweils vorhandenen Mitglieder des ICNIRP wählen die neuen Mitglieder aus.
Dieses Modell führt zu der Situation, in der alle ICNIRP-Mitglieder die gleiche
Meinung über die Gefahren der Handy-Strahlung vertreten. Wenn alle ICNIRP-Wissenschaftler
die gleiche Meinung haben, besteht keine Notwendigkeit für eine wissenschaftliche
Debatte - es gibt einen vorher getroffenen Konsens. Dies war in der WHO-IARC
Bewertung nicht so, da dort Wissenschaftler mit unterschiedlichen, oft
gegensätzlichen Meinungen eingeladen waren.
Die ICNIRP-Sicherheitsnormen für den Strahlenemissionen von Handys und Basisstationen
reichen nicht aus, um die Menschen zu schützen. Die IARC-Klassifizierung von
Handy-Strahlung als mögliches Karzinogen lässt die Schutzansprüche der
aktuellen ICNIRP-Sicherheitsstandards unwirksam werden. In den epidemiologischen
Fall-Kontroll-Studien, die von der IARC (Interphone und Hardell) bewertet
wurden und der nach der IARC- Bewertung veröffentlichten CERENAT-Studie,
verwenden erwachsene Teilnehmer reguläre Handys. Diese Handys wurden so gebaut,
dass sie ICNIRP- Sicherheitsstandards erfüllen. Allerdings führte die intensive
Verwendung solcher "ICNIRP-Sicherheits-Telefone" für einen Zeitraum
von über 10 Jahren zu einem erhöhten Risiko von Gehirntumoren. Dies bedeutet,
dass die aktuellen Sicherheitsstandards nicht ausreichend die Benutzer von
Handys schützen und dies auch Zweifel über die Gültigkeit der gesetzten
Sicherheitsstandards für Basisstationen aufwirft.
Von dem, was ich von den Bildern von Indien, als auch das, was ich beim Besuch in
Indien gesehen habe, gibt es zahlreiche Situationen, in denen es zu viele
Antennen in großen Clustern angeordnet gibt. Ob solche Cluster die aktuellen
indischen Sicherheitsstandards erfüllen, muss geprüft werden. Es liegt an den
lokalen Politikern und der Regierung sicherzustellen, dass Sicherheitsstandards
eingehalten werden und festzustellen, ob etwa vorhandene Sicherheitsstandards fragwürdig sind.
7. Frage: Bestimmte australische Schulen verbannen Wi-Fi aus ihren Gebäude; was
ist die Grundüberlegung hinter diesen Schritten?
Es gibt eine Diskussion in Australien, Kanada, USA und Europa über die
Möglichkeit von Schäden, die durch Wi-Fi [= WLAN] verursacht werden. Einige
Schulleiter verbieten den Betrieb von Wi-Fi und folgen damit dem Druck, der von
den Eltern der Kinder ausgeht. Die Graswurzel-Bewegungen von Wi-Fi
betroffener Eltern in den Schulen sind
in manchen Fällen sehr stark. Für Wi-Fi-Strahlung gilt ähnlich der von Handys
und Mobilfunkmasten emittierten Strahlungen, dass sie als "möglicherweise"
krebserzeugend eingestuft werden.
Wir können mit Recht darüber besorgt sein, was mit Kindern geschehen könnte, die sehr jung sind
und sieben bis acht Stunden kontinuierlich der Wi-Fi-Strahlung ausgesetzt sind.
Es ist eine verantwortungsvolle Vorsichtsmaßnahme, den Wi-Fi-Betrieb in den
Schulen zu verbieten. Es gibt Orte, an denen die Bereitstellung des Wi-Fi
-Internetzugangs nicht möglich ist, wie in Bahnhöfen oder Flughäfen, aber in
den Schulen ist der Wi-Fi -Internetzugang möglich. Es gibt keine wirkliche
Notwendigkeit für Wi-Fi in den Schulen.
In anderen Orten, wo das Kabel-Internet nicht machbar ist, ist es auch möglich,
Vorsorgemaßnahmen einzuführen. In Flughäfen oder Bahnhöfen gibt es abgeschlossene
Räume, wo Menschen rauchen dürfen. Andere Reisende sind dann nicht dem Rauch
ausgesetzt.
Ähnliches gilt auch für die Bereitstellung von Wi-Fi-Verbindungen. Es könnten
geschlossene Räume mit Wänden aus Materialien, die Wi-Fi-Strahlung nach draußen
abschirmen, vorgesehen werden, wo dann ein Wi-Fi-Zugang möglich wäre, ohne Nicht-Interessierte
der Strahlung unnötig auszusetzen.
8. Frage: Die WHO ist dabei einen neuen
Bericht mit einer Zusammenfassung der gesundheitlichen Risiken des
Hochfrequenzfelder auszuarbeiten, der im nächsten Jahr veröffentlicht werden soll.
Was erwartet die Forscher-Vereinigung von dem Bericht? Was denken Sie, gibt es
ist jetzt genug Beweise nach der Veröffentlichung der französischen
epidemiologischen Studie aus dem Jahr 2014, dass die Einstufung von
Handy-Strahlung von der Gruppe 2B zu Gruppe 2A oder Gruppe 1 verschoben werden
sollte?
Der noch zu veröffentlichende WHO-Bericht hat sich um zehn Jahre verzögert. Sie
warteten auf die endgültigen Ergebnisse des Interphon-Projektes und später auf
die IARC-Bewertung der Kanzerogenität. Der WHO-Bericht wird alle Auswirkungen
der Strahlung wie möglicherweise die Fruchtbarkeit beim Menschen und anderen
Fragen der Gesundheit, nicht nur den Krebs, analysieren.
Die ICNIRP-Wissenschaftler sind in den WHO-Bericht involviert, daher kann man
nicht erwarten, dass er im Wesentlichen von dem, was ICNIRP sagt, abweicht.
Die jüngste französische epidemiologische CERENAT-Studie liefert zusammen mit der
Interphon- und den Hardell-Studien einen ausreichenden Beweis, um Handy-Strahlung
als wahrscheinlich karzinogen zu betrachten - Gruppe 2A in der IARC-Skala auf
Kanzerogenität.
9. Frage: Vor kurzem hat die Industrie eine Kampagne gestartet, die besagt,
dass Strahlung von Mobilfunksendern und Mobiltelefonen nicht gefährlich ist.
Sie haben in Forschern wie Dr. Mike Repacholi, den Ex-Koordinator des Bereiches
Strahlung, Umwelt und Gesundheit der WHO hinzugezogen, der behauptet hat, dass
es keine gesundheitlichen Gefahren gibt, die von Basisstationen- oder Handy-Strahlung
ausgeht. Stimmen Sie diesen Aussagen zu?
Die Industrie beruft sich gerne auf Wissenschaftler, die ihre Produkte
unterstützen und sagen, dass sie sicher sind. Daher besuchte Dr. Repacholi
Indien und sprach öffentlich über die Sicherheit von Mobiltelefonen sowie von
Basisstationen. Ich bin nicht mit Dr. Repacholi einverstanden. Er sagt, dass
wir keine gesundheitlichen Probleme haben, die von
Handy- und Basisstationen-Strahlung ausgehen und wir werden diese auch in der
Zukunft nicht haben. Meiner Meinung nach reichen die wissenschaftlichen
Erkenntnisse noch nicht aus zu sagen, dass Handy-Strahlung unbedenklich ist.
Wir brauchen sowohl eine bessere Forschung und, für den Augenblick, die
Umsetzung der Vorsorgeprinzips der Europäischen Union, bis es mehr Klarheit
gibt.