Mehr zum Thema Mobilfunk und Gesundheit

Betrüger unterwegs: Plusminus entlarvt Scharlatane

Quelle: ARD-Sendung "Plusminus", 19.11.2002, 21.55 Uhr

Mobilfunk-Antennen pflastern den Weg der Handy-Telefonierer. Der Elektrosmog nimmt seit Jahren stetig zu - und mit ihm die Angst vor möglichen Gesundheitsgefahren. Immer öfter bieten vor allem dubiose Geschäftemacher allerlei Geräte zum Schutz vor Elektrosmog an. [plusminus macht den Test.

Verkaufsförderung für die Geschäfte mit der Angst Internet und Fernsehshops sind voll mit angeblichen Wunderwaffen gegen Elektrosmog. Das Angebot umfasst Handyaufkleber, Halsketten, Dekorteile oder portable Schutzgeräte. Die Preise reichen je nach Größe und Ausstattung von 30 bis weit über 1000 Euro. [plusminus bestellte eine Auswahl der verschiedenen Gerätearten und lies sie vom ECOLOG-Institut in Hannover testen.

Die Test-Geräte:

Kuma", der Wunderaufkleber gegen Handystrahlung. Er kostet 34 Euro.
"Basic Help", die Halskette zum persönlichen Schutz. Sie kostet rund 100 Euro.
Der "Harmonizer" mit der praktischen Zipfelmütze.
Er soll einen ganzen Raum schützen. Ihn gibt's für rund 150 Euro.
"Rayguard" - die tragbare Ausführung für den Gürtel.
Ihn gibt's ebenfalls für rund 150 Euro.
"Feldprozessor" - die kleinste Waffe gegen Elektrosmog.
Er kostet stolze 306 Euro.

Die Ergebnisse des [plusminus-Test

Keines der Geräte zeigte bei den durchgeführten Untersuchungen auch nur die geringste Wirkung. Egal, ob es sich um hoch- oder niederfrequente Störfelder handelte, egal mit welcher Quelle die elektromagnetischen Felder und Strahlungen erzeugt wurden. Auch eine angebliche Filterung schädlicher Strahlungen war nicht festzustellen. Alle Felder, von deren Schädlichkeit man aus biologischen und medizinischen Untersuchungen weiß, blieben völlig unverändert.

Dr. H.-Peter Neitzke vom ECOLOG Institut in Hannover kommentiert die Testergebnisse:

"Also keines der von uns untersuchten Geräten hat an den Störfeldern, die wir aus verschiedenen Quellen getestet haben, irgend eine Wirkung hervorgerufen. Weder bei den direkt gemessenen Feldern noch bei den Untersuchungen, die wir an Probanden durchgeführt haben, haben sich irgendwelche Wirkungen gezeigt."

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrug

Aktuell beschäftigt sich auch die Staatsanwaltschaft in Gießen mit dem "Feldprozessor", der von Walter Robert Gottfried Kumpe für 306 Euro pro Stück bundesweit vertrieben wurde.
Das Problem der Juristen dabei ist es vor allem, einzuschätzen, mit welchen Eigenschaften und Wirkungen die Vertreiber der Elektrosmogkiller ihre Kunden ködern, um ihnen dann nachzuweisen, dass die Geräte eben diese Eigenschaften nicht erfüllen.

Der Diplom-Ingenieur Günter Müller hatte selbst geraume Zeit die "Feldprozessoren" an den Mann und die Frau gebracht. Inzwischen ist er aus dem Geschäft ausgestiegen. Er beschreibt die Verkaufsmethoden:
"Es wurden zirka 1000 Stück in Östereich, Schweiz und Deutschland verkauft. Und der Grund war, dass wir die Leute überzeugen konnten, dass dieser Feldprozessor gegen Elektrosmog wirkt. Einerseits durch die wissenschaftlichen Erklärungen und aufgrund eines angeblichen Labors in Schottland, wo diese Feldprozessoren mit Lasertechnologie programmiert wurden."

Geprellte Verbraucher

Eine Masche, auf die auch die Familie Cremer in Arnsberg bei Dortmund hereinfiel. Die Tochter im Haus, Charlotte, litt unter ständigen Hustenanfällen, die bis zum Erbrechen gingen. Der Kinderarzt war ratlos. Eine Heilpraktikerin versprach Hilfe durch den "Feldprozessor". Das Haus der Familie sei extrem mit Elektrosmog belastet. Der Wunderchip würde Charlotte vor den schädlichen Feldern schützen. Trotz anfänglicher Skepsis ließ sich Alexandra Cremer von den scheinbar wissenschaftlichen Erklärungen überzeugen. Vorschriftsmäßig klebte sie ihn Charlotte jeden Morgen auf die Thymusdrüse.

Das Ergebnis beschreibt Alexandra Heiland-Cremer: "Meine Tochter hat sehr negativ darauf reagiert. Weil es ein Fremdkörper war. Ich hab es trotzdem durchgezogen. Bestimmt einen Monat. Es brachte gar nichts. Es kam keine Linderung, keine Veränderung in jeglicher Form."

TU Braunschweig untersucht "Feldprozessoren" Alexandra Cremer ist nicht die Einzige, die enttäuscht wurde. Nachdem bei der Staatsanwaltschaft Gießen mehrere Anzeigen eingingen, beauftragte sie den Materialexperten Professor Jochen Glimm von der Technische Universität Braunschweig mit der Untersuchung des Feldprozessors. Doch trotz modernster Analysemethoden lies sich weder eine mit Lasertechnik aufgebrachte Programmierung noch sonst irgend eine elektronische Schaltung finden.
Prof. Jochen Glimm, TU-Braunschweig:
"Wir haben festgestellt, dass es sich bei dem so genannten Feldprozessor um ein Folienstück handelt, auf dem eine Klebeschicht aufgebracht ist und eine Schutzschicht und weiter nichts."

Auf dem Gelände einer verlassenen Bürstenfabrik bei Alsfeld in Hessen wurden die vermeintlichen Wunderchips hergestellt. Im dazugehörenden Mini-Bungalow wurde der sogenannte "Polarisator" vom Erfinder höchstpersönlich mit einer Blechschere aus einer kupferbeschichteten Alufolie geschnitten und anschließend in Folie eingeschweißt.

Seltsamerweise wurden dem "Handmadeprozessor" von dem ehemaligen Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Materialforschung in einem wissenschaftlichen Gutachten "überzeugende und auf Dauer anhaltende" Wirkungen bescheinigt.

Der ehemalige Verkäufer beschreibt die Untersuchungsmethode:

"Er hat im Prinzip vorher mit einem Pendel ausgependelt, welche Stellen von Elektrosmog betroffen sind. Anschließend wurde der Feldprozessor an einer bestimmten Stelle platziert und es wurde noch mal mit dem Pendel gemessen. Und der Professor Dr. Rohrbach hat halt gesagt, ich stelle nichts mehr fest. Das war also die wissenschaftliche Methode."

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft sind scheinbar wissenschaftliche Gutachten auch bei anderen Anbietern beliebte Verkaufsförderer. Nicht immer hat sie es allerdings so leicht wie mit dem "Feldprozessor". Dessen Erfinder droht eine empfindliche Freiheitsstrafe.

In anderen Fällen ist es für den Gießner Staatsanwalt, Reinhard Hübner, nicht so einfach, den Betrug tatsächlich nachzuweisen:

"In vielen Fällen ist es halt sehr schwer, wegen der lapidaren Aussage oder der allgemeinen Aussage, überhaupt festzustellen, welche Eigenschaften diese Geräte haben sollen. Weil eben häufig gar nichts Bestimmtes zugesichert wird, sondern nur die Wirkung angeblich hervorgerufen werden soll. In dem speziellen Fall werden aber besondere Eigenschaften zugesichert, die eben auf den Alublättchen nicht vorhanden sind."

In aller Regel ist es bei den Elektrosmogkillern mit wissenschaftlichen Nachweisen nicht weit her. Die von [plusminus getesteten Geräte machen da keine Ausnahme.

So wirbt Rayguard mit einem Gutachten, das es so gar nicht gibt. Prof. Günter Käs hat die Wirksamkeit von Rayguard niemals bestätigt.

Baubiologen haben Erfahrungen mit den Geräten

Seriöse Fachleute werden häufig erst dann zu Rate gezogen, wenn die Kunden schon viel Geld für die angeblichen Elektrosmogkiller aus dem Fenster geworfen haben. Frank Mehlis und seine Kollegen vom Bonner Verband Baubiologie finden solche Geräte immer häufiger bei verzweifelten Kunden im Haus verstreut - auf dem Nachttisch, unterm oder sogar im Bett. Über hundert Apparate haben die Baubiologen inzwischen gesammelt.

Dabei gibt es tatsächlich Möglichkeiten, sich wirksam zu schützen. Mit speziellen Gittern können etwa Dächer gegen Funkwellen isoliert werden. Auch Spezialputze, beschichtete Tapeten und Gardinen sind dazu in der Lage. Bei niederfrequenten Feldern hilft ganz einfach das Abschalten der elektrischen Geräte. Die billigste Lösung.

Kommentar der Elektrosmognews: Auch wir distanzieren uns auf das entschiedenste von Betrügern, die mit der Not der Menschen Profit machen, ohne dass mit den angepriesenen wirkungslosen Wundermitteln die Strahlenbelastung in irgendeiner Weise reduziert wird! Besonders verwerflich ist dabei, dass die Menschen glauben, ihre persönliche Strahlenbelastung und damit ihr Risiko würden durch solche Produkte ausgeschaltet, in Wirklichkeit besteht die Ursache nach wie vor fort! Wenn Ihnen jemand ein solches Produkt andrehen will, lassen Sie einen Baubiologen oder Messtechniker kommen, der kann Ihnen dann genau sagen, ob Ihre Strahlenbelastung meßbar gesunken ist. Dies ist nur durch Abschirmung zu erreichen, zumindest was Haus und Wohnung betrifft. Die Strahlenbelastung im Freien kann nur durch Abschalten des Senders oder drastischer Reduzierung der Sendeleistung gesenkt werden.

Mehr zum Thema Mobilfunk und Gesundheit