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Freiburg: Emotionale Podiumsdiskussion mit Zwerenz und T-Mobil: 400 Teilnehmer

Quelle: Badische Zeitung, 02.03.2002

Eine dreistündige Veranstaltung mit weit mehr als 400 Teilnehmern – und nicht ein einziges Handy hat geklingelt. Zu erleben war das am Donnerstagabend bei der Info-Veranstaltung „Mobilfunk in Freiburg“ im Bürgerhaus im Seepark. Doch auch ohne das Piepsen mobiler Telefone ging es zeitweise laut zu: Die Argumente von Mobilfunk-Befürwortern und Gegnern prallten weitgehend unversöhnlich aufeinander.

Rund 130'000 Freiburger besitzen mittlerweile ein Handy und führen damit pro Tag rund eine halbe Million Gespräche, rechnete Rudolf Teichelmann, Technikchef von T-Mobile (D1), gleich zu Beginn seiner Ausführungen vor. Für ihn ein Beleg für die breite gesellschaftliche Akzeptanz der Technik und für den Bedarf eines weiteren Ausbaus. Für das mehrheitlich mobilfunkkritische Publikum im Saal und seine Sprecher hingegen ein Beleg, dass die ununterbrochene Strahlenbelastung inzwischen unhaltbare Ausmaße erreicht habe. Schädliche Wirkungen von Mobilfunkstrahlen seien trotz einer Vielzahl von Forschungsarbeiten nicht erwiesen, argumentierten Teichelmann und sein Kollege Helmut Müller (D2-Vodafone), hingegen hätten Notrufe über Handy schon zahllose Menschenleben gerettet. Und auch die Bundesregierung, die für die neuen UMTS-Lizenzen rund 50 Milliarden Euro kassiert habe, fordere den schnellen Ausbau des neuen Netzes mit höheren Übertragungsraten.

Siegfried Zwerenz vom Bürgerinitiativen-Dachverband „Bürgerwelle“ sowie der Bremer Präventionsmediziner Professor Rainer Frentzel-Beyme hingegen referierten Forschungsergebnisse, die darauf hinwiesen, dass selbst schwache Mobilfunkstrahlung eine Vielzahl negativer Folgen haben könne: von Schlaf- und Konzentrationsstörungen bis zur Förderung von Krebserkrankungen. Gefährlich seien dabei nicht die „thermischen Effekte“ (Gewebeerwärmung), auf die die Grenzwerte ausgerichtet seien, sondern gefährlich sei die Störung der Signalübertragung im Körper, die sich – ähnlich wie der Mobilfunk – gepulster Strahlung bediene.

Zur Polarisierung trug vor allem der von den Mobilfunkbetreibern aufs Podium geholte Villinger Arzt Josef Wenning bei. Der diagnostizierte im Publikum kollektive „kognitive Illusionen“ – nämlich eine verzerrte Wahrnehmung von Risiken. Sein Vergleich: Trotz BSE-Hysterie gebe es bislang in Deutschland keinen Todesfall aufgrund der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Die Reaktion: Pfiffe und Buhrufe. Einer Mutter aus dem Stadtteil Vauban, die – den Tränen nahe – einen Antennenwald auf einem nahe gelegenen Gebäude für die Schlafstörungen der Kinder verantwortlich macht, versicherte Wenning sein Mitgefühl, „egal, ob das alles eingebildet ist oder nicht.“ Darauf die Betroffene: „Ich verbitte mir, von Ihnen verstanden zu werden.“

Aus dem Saal widersprach der Mediziner Wolf Bergmann der Einschätzung Wennings, alle negativen Forschungsergebnisse seien dilettantisch zustande gekommen oder längst durch andere Forschungen widerlegt: „Als Kollege finde ich es schrecklich, wie sie mit den Sorgen der Menschen umgehen.“

Anne Dehos vom Bundesamt für Strahlenschutz plädierte dafür, dass jeder selbst den verantwortlichen Umgang mit Handys vorantreiben könne: indem er sie so selten wie möglich benutzt. Für ein Moratorium (vorübergehender Verzicht auf weiteren Ausbau) sah sie aber keine Chance: „Ich glaube nicht, dass sie die Mehrheit der Freiburger davon überzeugen könnten.“

Lediglich ein Randthema blieb dagegen das ganz konkrete „Standortkonzept Freiburg“ in Sachen Mobilfunk, das der Gemeinderat im November verabschiedet hatte. Es sieht unter anderem vor, dass Mobilfunkanlagen aus reinen Wohngebieten und den meisten „allgemeinen Wohngebieten“ wieder abgebaut werden sollen. Freiburgs Baubürgermeister Matthias Schmelas hatte seine Ankündigung aus dem Vorfeld der Veranstaltung wahr gemacht und nach einer kurzen Einführung ins Thema und der Vorstellung der Referenten das Podium wieder verlassen.

Schalte man Sender aus dem jetzigen Netz aus, werde dort der Empfang schlechter und Handys wie verbliebene Basisstationen auf den Dächern würden versuchen, dies mit weitaus stärkerer Leistung wettzumachen, sagte D2-Mann Müller, ohne dass weiter darauf eingegangen wurde: „Gerade dadurch steigen die Belastungen.“

Emotional wurde es erneut kurz vor Ende der Veranstaltung, als die Opfingerin Sonja Unger den T-Mobile-Vertreter Rudolf Teichelmann „um ein Zeichen der Menschlichkeit“ bat. Seit mehr als zwei Jahren kämpfe sie mit ihrem schwer kranken Mann gegen eine Sendeanlage über ihrer Mietwohnung. Nachdem diese vom Amtsgericht verboten worden war, sind T-Mobile und der Vermieter nun in die nächste Instanz gegangen. Auf diesen neuerlichen Prozess möge man doch verzichten. Teichelmann ging in seinem Schlusswort wenig später mit keinem Wort auf die Bitte ein.

Die Moderation von Walter Kuntz, Freiburger Professor für Elektrische Mess- und Prüfverfahren, beschränkte sich darauf, dem jeweils nächsten Redner das Wort zu erteilen.

Thomas Jäger

Nur ein kurzer Kommentar zum D2-Vertreter Müller: In Ihrem Beispiel steigen die Belastungen für Handybenutzer, die sich der Strahlung freiwillig aussetzen (obwohl das auch nicht ganz richtig ist, denn Sie informieren Ihre Kunden natürlich nicht darüber, daß sie u.a. ihr Gehirntumorrisiko drastisch erhöhen). Die Belastungen für Anwohner sinken jedoch mit jedem Sender, den es weniger gibt. Verbessern Sie Ihre Technologie und machen Sie sie gesundheitsverträglich.

Die Gnadenlosigkeit von T-Mobil, wie oben beschrieben, ist mittlerweile schon Statussymbol. Die anderen Betreiber jedoch sind keinen Deut besser.

Nächste Demo: Nürnberg, 11.3., 14.30 Uhr, Südwestpark 38, vor dem VIAG-Interkom-Gebäude

Mailkontakt: webmaster@elektrosmognews.de

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