Mehr zum Thema Mobilfunk und Gesundheit

Mobilfunknews vom 02.05.2002

Quellen: diverse, siehe jeweils bei den Artikeln

Reutlinger General-Anzeiger, 02.05.2002:

Antennen sollen raus aus dem Ort

Kirchentellinsfurt schlägt Betreibern neue Standorte für ihre Mobilfunksendeanlagen vor
Von Heiner Keller

Kirchentellinsfurt. (GEA) Es brauchte nochmals eine ausführliche Diskussion, bis sich die Kirchentellinsfurter Gemeinderäte am Montagabend zu einer Entscheidung durchringen konnten, wo die am Markt agierenden Mobilfunkbetreiber ihre Masten aufstellen sollen: Mit einer klaren Mehrheit von zehn Ja-Stimmen gegenüber dreimal Nein und einer Enthaltung wird den Unternehmen Telekom, Viag-Interkom, D 2-Vodafone und E-plus angeboten, ihre Antennenmasten im Bereich des provisorischen Kreisverkehrs am Südring sowie jenseits der B 27 im Neckartal zu installieren.

Den Mobilfunkbetreibern wird in dem Beschluss auch nahe gelegt, im Rahmen des notwendigen Baugesuchs anhand von Messungen nachzuweisen, dass künftig in der Ortsmitte keine stärkere Strahlenbelastung auftritt als im Augenblick. Momentan sind Mobilfunksendeanlagen nämlich auf einem Privathaus »Im Gässle« sowie auf dem Hochhaus in der Peter-Imhoff-Straße und auf dem Wasserturm in Richtung Degerschlacht installiert.

Bürgermeister Bernhard Knauss stellte nochmals klar, dass er »die Zusage der Betreiber« habe, dass die Sendeanlagen im Ort abgebaut werden, wenn ihnen im Gegenzug Grundstücke als Alternativstandorte für ihre Funkmasten angeboten werden.

Knauss ging eingangs der Debatte nochmals auf die Bürgerversammlung zum Thema Mobilfunk ein (wir berichteten), seiner Meinung nach eine von Sachlichkeit getragene Diskussion, die zweierlei deutlich gemacht habe: Zum einen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte mit den bislang in Kirchentellinsfurt bestehenden Mobilfunksendeanlagen eingehalten werden. Zum anderen, dass das Thema nicht nur auf der rationalen Ebene zu diskutieren ist, sondern es auch »eine Art politischen Grenzwert« gebe.

Da es im Übrigen für die Gemeinde »keinerlei Ermessensspielraum« gebe, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten worden seien, bliebe nur eines: mit den Mobilfunkbetreibern zu verhandeln.

Hans-Erich Messner, erster Landesbeamter des Kreises Tübingen, unterstützte Knauss' Sicht der Dinge: Rechtlich seien die im Ort vorhandenen Mobilfunksendeanlagen einwandfrei; doch es gebe auch die Verpflichtung von Betreibern und öffentlicher Hand gleichermaßen zur »Daseinsfürsorge«.

Deshalb sein Appell an die Gemeinderäte, die »Mobilfunkbetreiber gemäß ihrer Selbstverpflichtung beim Wort zu nehmen, wonach Mobilfunkanlagen nicht im unmittelbaren Bereich sensibler Gebäude wie Schulen oder Kindergärten installiert werden sollen.«

Redner aller Fraktionen erklärten, dass der als Alternative in die Diskussion gebrachte Standort Feuerwehrhaus nicht mehr ernsthaft in Betracht komme und deshalb solche Sendeanlagen außerhalb des Ortes gebaut werden sollten. Ob Erich Heusel, Markus Appenzeller, Manfred Wolpert-Gottwald, Heidrun Krismer oder Hans-Peter Heinzel: Die Räte sahen die Zeit für eine Entscheidung gekommen, wenn auch Heinzel beispielsweise bekannte, dass rational eine Verlegung der bisherigen Standorte nicht nachzuvollziehen sei, man aber glaube, gerade dadurch das Beste für die Bevölkerung zu tun.

Carmen Steffans Ansinnen, vor einer endgültigen Entscheidung nochmals einen unabhängigen Gutachter zu hören und Otto Beckerts Forderung, dass Mobilfunksendeanlagen im Außenbereich in ihrer Strahlungsintensität unbedingt noch unter den strengen »Schweizer Grenzwerte« liegen müssten, hätte der Diskussion fast nochmals eine andere Wendung gegeben - doch am Ende stand dann doch der Beschluss, den Betreibern Standorte außerhalb Kirchentellinsfurts schmackhaft zu machen.

Es solle für die Zukunft sichergestellt werden, das solche Anlagen »nicht mehr auf Privathäusern installiert werden können«, regte Walter Stoll an und meinte damit den Gesetzgeber.

Mit 40 bis 50 Meter hohen Sendemasten im Außenbereich bezahle man einen hohen Preis für denjenigen Teil der Bevölkerung, der Handys besitze, meinte Dr. Peter Maier. Irgendwie sei das jetzt Beschlossene »das St. Florians-Prinzip auf eine etwas andere Art angewandt.«

Echo Online, 02.05.2002:

In allen Fraktionen Bedenken gegen Mobilfunk

Kreistag Bergstraße: Antrag der Grünen regt alle fünf Fraktioen zum Nachdenken an – Appell an die Landesregierung – Weitere Beratung in den Ausschüssen

KREIS BERGSTRASSE. Der Bergsträßer Kreistag nimmt die Bedenken der Bürger gegen Sendeanlagen für den Mobilfunk ernst. In einem Antrag der Grünen wird ein Kataster gefordert, das alle Standorte solcher Sender ausweist. Durch einen Änderungsantrag der CDU/FWG/FDP-Koalition wurde dieser Antrag so modifiziert, dass er mit großer Mehrheit an Fachausschüsse überwiesen werden konnte.
„Die Mobilfunkproblematik beschäftigt zunehmend die Menschen in unseren Städten und Gemeinden“, heißt es im Änderungsantrag einleitend. Insbesondere die Errichtung von Sendeanlagen durch Mobilfunkbetreiber geraten zunehmend in die Kritik. Die Frage des Gesundheitsschutzes sei noch nicht abschließend geklärt.

Die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) regelt auf Grundlage der thermischen Auswirkungen (Wärmeeffekt) die Grenzwerte der elektromagnetischen Felder und Schutzabstände. Diese bilden die Grundlage für die von der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation auszustellenden Unbedenklichkeitsbescheinigungen, um die Genehmigungsfreiheit gemäß Paragraph 63 der Hessischen Bauordnung (HBO) zu erlangen. Langzeituntersuchungen über die gesundheitlichen Auswirkungen, insbesondere der athermischen Faktoren von Mobilfunksendeanlagen fehlen jedoch. Viele europäische und asiatische Länder haben deshalb nach dem Grundsatz der Vorsorge weit geringere Vorsorgewerte als Deutschland.

Die Bewohner haben nahezu kein Mitspracherecht bei der Errichtung von Sendeanlagen. Auch die Gemeinden und Baubehörden der Landkreise haben nur geringe Regulierungsmöglichkeiten.

Die Planungshoheit der Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie werde reduziert. „Wir sind der Auffassung, dass im Zuge der anstehenden Änderung der HBO, entgegen der Intension des Wirtschaftsministeriums, die derzeitige pauschale Erfassung von Antennenanlagen, soweit sie elektrische Felder abgeben, aufzugeben ist, und die Genehmigungspflicht von Sendeanlagen, gleich welcher Art, durch die Neufassung der HBO eingerichtet wird“, heißt es im Änderungsantrag.

Frankfurter Rundschau, 02.05.2002

Nutzungsverbot: D-1 und E-Plus-Kunden ohne Empfang

Von Georg Kronenberg

Handynutzer in Stadtallendorf sind seit kurzem in zwei Klassen geteilt: Mobiltelefonbesitzer mit Empfang sowie D-1 Kunden und E-Plus-Kunden. Nach einem Nutzungsverbot des Kreises Marburg-Biedenkopf mussten die Netzbetreiber ihre Sendeantennen im Stadtgebiet abschalten.

STADTALLENDORF. Die Schokoladenproduktion klappt auch ohne Mobilfunk. "Wir haben keine Probleme", sagt Ferrero-Sprecherin Almut von Rissenbeck. Im Stadtallendorfer Werk des italienischen Süßwarenherstellers (über 3000 Beschäftigte) gebe es wegen der sensiblen Anlagen sowieso ein Handyverbot. "Gewaltig sauer" ist dagegen Klaus Segendorf, Juniorchef einer örtlichen Spedition mit 20 Angestellten: "Ein Kunde hat schon angekündigt, sich eine andere Lieferanten zu suchen, wenn wir abends nie zu erreichen sind", schimpft er - die D1-Handys seien unverzichtbare Kommunikationsmittel zu Fahrern und Kunden. Ähnlich sieht das ein Taxifahrer, der seinen Handyvertrag am liebsten zurückgeben möchte.

Der Frust über das Funkloch ist groß in Stadtallendorf. Auch wenn der ärztliche Notdienst - weil festnetzbasiert - nicht betroffen ist und die Gießerei Winter, neben Ferrero größter Arbeitgeber im Ort und zwingend auf Handys angewiesen über einen mobilen Sendewagen versorgt ist.

Vor gut zwei Wochen musste D1-Netzbetreiber T-Mobile seine zwei Sendestationen in der Stadt abschalten. Nur der schnell aufgestellte Sendewagen auf dem Gießereigelände sorgt für eine notdürftige Netzabdeckung. Grund ist ein vom Kreis ausgesprochenes Nutzungsverbot, das vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel (VGH) bestätigt wurde. Und seit Ende letzter Woche darf auch die Antenne von E-Plus Dafür kracht's gewaltig zwischen den Netzbetreibern sowie Stadt und Kreis. Die "Mobilfunkverhinderungspolitik" erinnert T-Mobile-Sprecher Philipp Schindera an einen "Schildbürgerstreich der seinesgleichen sucht". Das will Manfred Vollmer (CDU), Bürgermeister der 21000-Einwohner-Kommune mit vielen Industrieansiedlungen und zwei großen Bundeswehrkasernen, nicht auf sich sitzen lassen. "Wir wollen Mobilfunk", sagt er, aber die Netzbetreiber hielten sich nicht an gültiges Recht.

Streitpunkt ist nicht etwa die Strahlenbelastung, die Anlagen sind laut Bundesemissionsschutzverordnung unbedenklich. Durch das Abschalten der Sender setzt der Kreis als Bauaufsichtsbehörde mit in Hessen wohl noch nie dagewesener Konsequenz eine Ende 2000 gefällte Entscheidung des Kasseler VGH um. Danach sind die fraglichen Antennen entgegen früherer Praxis genehmigungspflichtig - wegen ihres gewerblichen Charakters. Die Sender liegen im Unterschied zu denen anderer Mobilfunkanbieter in Wohngebieten, wo die Stadt der gewerblichen Nutzung zustimmen muss -- das aber nicht getan hat. Zum Unwillen der Betreiber.

T-Mobile habe trotz Aufforderung schlicht nicht genügend Infomaterial beigebracht, um Einvernehmen herzustellen und E-Plus ihre Antenne zunächst ganz verschwiegen, sieht sich Rathauschef Vollmer schuldlos. "Wir haben die Nutzungsverbote erst ein Jahr nach der VGH-Entscheidung erlassen - genug Zeit, sich Alternativstandorte zu überlegen", findet Kreisbaudezernent Thomas Naumann.

Weder D-1 noch E-Plus wollen aber ihre teilweise seit sieben Jahren genutzte Standorte aufgeben. Ohne eine Einigung mit Stadt und Kreis wird es dazu zumindest bei D-1 wohl kommen: Im Unterschied zu E-Plus hat T-Mobile bereits alle Rechtsmittel ausgeschöpft und muss die strittigen Masten binnen acht Wochen abreißen.

Da kommt auch die voraussichtlich im Herbst in Kraft tretende neue Hessische Bauordnung zu spät, nach der die Sendemasten prinzipiell wieder genehmigungsfrei werden.

Kurzkommentar EN: Von gesundheitlicher Unbedenklichkeit kann keine Rede sein, das steht nicht einmal in der 26. BImSchV. Und von der Änderung der Hessischen Bauordnung hoffentlich auch nicht, sonst wird der Klüngel-Verdacht (Vodafone-Schreiben an Posch) immer augenscheinlicher.

Wertheimer Zeitung, 02.05.2002

»Warum wird bei uns noch erlaubt,
was in der Schweiz längst verboten ist?«
Nassiger Ortschaftsräte sagten Nein zu einer zusätzlichen Mobil-Funk-Antenne

Wertheim-Nassig. Den Bauantrag der T-Mobil Deutschland GmbH eine zusätzliche Mobil-Funk-Antenne beim Lagerhaus in Nassig anzubringen – zwei sind dort bereits installiert – lehnte der Nassiger Ortschaft in seiner Sitzung am Montagabend nach Anhörung der Bürger ab.

Der Antrag beziehe sich auf eine zusätzliche Antenne zur bestehenden D-1-Anlage, deren Sendeleistung nach Sonderriet ausgerichtet werde, machte Ortsvorsteher Hubert Sadowski deutlich. Er habe diese Sitzung kurzfristig einberufen, um die Öffentlichkeit zu informieren, da eine Einspruchsfrist von 14 Tagen bestehe. Anders als bei der Installation der bereits bestehenden Antennen, müsse der Ortschaftsrat diesmal gehört werden.

Mobilfunk in der Kritik
 

Der Mobilfunk stehe mittlerweile wegen der entstehenden elektromagnetischen Felder und damit befürchteter Gesundheitsgefährdung in der öffentlichen Diskussion, so Sadowski weiter. Laut Aussage des Mitarbeiters von T-Mobil Deutschland allerdings sei die Wirkung nicht schädlicher als bei einem Heimtelefon, stellte er zwei Meinungen nebeneinander. Am größten sei die Strahlung im Drei-Meter-Umfeld der Antennen. Einige hundert Meter vom Sendebereich entfernt liege die Belastung weit unter dem Grenzwert, so er Ortsvorsteher.

Im Rahmen der Diskussion der Ortschaftsräte Reinhold Beck, Gerhard Hörner, Werner Ballweg und Johannes Stobbies mit den Bürgern – darunter unmittelbare Anlieger – wurde eine ablehnende Haltung deutlich. Vor allem wurden die hohen Grenzwerte bemängelt, die in der Schweiz viel niedriger angesetzt wären. »Warum wird bei uns noch erlaubt, was in der Schweiz längst verboten ist?«, wurde gefragt. Wahrscheinlich warte man in Deutschland mit der Herabsetzung der Grenzwerte bis Gesundheitsschäden nicht mehr wegzuleugnen seien, so die Einschätzung.

Man müsse an die Nachkommen denken. Die Geschichte des Mobilfunks sei viel zu jung, um Folgen absehen zu können. Natürlich gelte es abzuwägen zwischen den gesundheitlichen Risiken und dem Interesse der Handy-Besitzer auf einen allzeit guten Empfang – wobei es bei dieser geplanten Antenne hauptsächlich um den Empfang in Sonderriet gehe. Man wolle sich der Technik nicht verschließen, doch sollte der Standort nicht in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten liegen, wurde argumentiert. Der Ortschaftsrat wurde gebeten, sich mit den Geschäftsführern des Lagerhauses und dem in Nassig ansässigen Aufsichtsratsvorsitzenden Ewald Dosch in Verbindung zu setzen und die ablehnende Haltung gegenüber der Anbringung einer dritten Antenne deutlich zu machen.

Main-Rheiner, Allgemeine Zeitung, 01.05.2002

Grüne: Wo sind Sender?

red. – Die Stadtratsfraktion der Bündnis 90/Die Grünen fordert eine drastische Senkung der Strahlenbelastung durch Mobilfunk-Sendeanlagen. „Mainz sollte dem Vorbild der Städte München und Aschaffenburg folgen und Sendeanlagen nur noch dann in der Stadt zulassen, wenn sie die in Deutschland zulässigen Grenzwerte um den Faktor 10 unterschreiten“, begründet Stadtratsmitglied Markus Gröninger die Forderung. „Derartig niedrige Richtwerte sind technisch möglich und in der Schweiz schon Pflicht.“ Auch dürften Sendeanlagen nicht bei Schulen, Kindergärten, Sportplätzen, Krankenhäusern oder Altenheimen aufgestellt werden. Gröninger erinnert auch an die Forderung der Grünen nach einem Mobilfunk-Kataster: „Die Bürger haben ein Recht zu erfahren, wo Mobilfunksender stehen und welche Leistung sie haben.“

Kurzkommentar EN: Schweizer Grenzwerte sind ein Anfang, aber immer noch viel zu hoch.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.05.2002

Ehemaliges Aushängeschild Vodafone wird zum Mühlstein

Telekommunikationswerte verlieren im Index an Bedeutung / Banken und Ölkonzerne prägen den Markt

chs. LONDON, 1. Mai. Der Londoner Aktienmarkt leidet unter seinem ehemaligen Aushängeschild Vodafone. Seit seinem Kurshöhepunkt im März 2000 ist allein bei dieser Aktie ein Papiervermögen von mehr als 150 Milliarden Pfund, 240 Milliarden Euro, vernichtet worden. In der vergangenen Woche wurde die Aktie zeitweise fast zum Penny-Titel, als sie auf gut 1 Pfund fiel und damit den tiefsten Stand seit Februar 1998 erreichte. Am gestrigen Mittwoch notierte das Papier bei 112 Pence.

Vodafone leidet wie die gesamte Branche unter der Ernüchterung im Mobilfunk infolge von Verzögerungen bei der Einführung neuer Techniken, den Sorgen vor einem Sättigungsgrad der Kunden sowie hoher Verschuldung beziehungsweise großem Abschreibungsbedarf der Unternehmen. Verkaufsempfehlungen für die Vodafone-Aktie halten sich zwar in Grenzen, doch daß es sie überhaupt gibt, ist bemerkenswert, standen doch die Analysten in der Londoner City vor einem Jahr noch geschlossen hinter dem Unternehmen und seinem Chief Executive Chris Gent. Dessen Stern sinkt nun aber, und so wird er immer häufiger in einem Atemzug mit Vivendi-Chef Jean-Marie Messier genannt, der ihm einst in der Übernahmeschlacht um Mannesmann zu Hilfe gekommen war.

Vodafone, im März 2000 mit einem Marktwert von 230 Milliarden Pfund mit Abstand das größte britische Unternehmen, ist heute nur noch die Nummer vier, hinter BP, Glaxo-Smithkline und HSBC. Das Gewicht des Telekommunikationskonzerns im Leitindex FTSE 100 verringerte sich von 15 auf rund 6 Prozent. Schon lange ist Vodafone nicht mehr das teuerste Unternehmen Europas, und kürzlich wurde es auch als höchstbewerteter Mobilfunkanbieter vom japanischen Konkurrenten DoCoMo abgelöst. Zudem hat China Mobile inzwischen fast so viele Kunden wie der britische Anbieter.

Mit dem Niedergang von Vodafone haben sich die Branchengewichte im FTSE 100 sichtbar verschoben. Ende März waren die Finanztitel mit 28 Prozent der größte Sektor; vor zwei Jahren hielten diesen Rang noch die Telekom-Konzerne mit 22 Prozent. Heute dagegen bringt die Telekommunkation nur noch 8 Prozent auf die Waage. Der Bereich Ressourcen, wozu die Ölkonzerne und Bergbau-Unternehmen zählen, hat seine Bedeutung unterdessen von 11 auf 17 Prozent ausgeweitet.

"Die anhaltende Schwäche des Telekom- und Technologiesektors hat dem Gesamtmarkt eine flache bis leicht nach unten gerichtete Entwicklung beschert", sagt Darren Winder, Aktienstratege bei UBS Warburg. So verlor der FTSE 100 seit Jahresanfang 0,6 Prozent, nur etwas weniger als der Dax mit minus 1,8 Prozent und der CAC 40 mit minus 3,4 Prozent. Seit Anfang Januar fielen die Kurse im Telekomsektor im Durchschnitt um mehr als ein Drittel.

Vodafone, Cable & Wireless und die BT-Tochtergesellschaft MMO2 verloren jeweils mehr als 40 Prozent. Dagegen hätte der FTSE 100 ohne den TMT-Bereich, der auch Medien einschließt, in diesem Jahr schon um 9 Prozent zugelegt. So halten einige wenige Werte den Index im Minus: Bei zwei Drittel aller Aktien im FTSE 100 stiegen die Kurse dagegen seit Jahresbeginn.

UBS Warburg sieht für den britischen TMT-Sektor noch kein Licht am Ende des Tunnels. Denn die Ökonomen der Investmentbank rechnen mit einen Dämpfer für den Konsum, wenn im Laufe des Jahres die Zinsen wieder steigen werden. Angesichts der vergleichsweise hohen Verschuldung der britischen Haushalte sei eine Stagnation bei den Verbraucherausgaben wahrscheinlich. "Für die TMT-Aktien verschlechtert dies nur die Aussichten", so Winder. In bezug auf Vodafone weist SG Securities darauf hin, daß die Erwartungen in die schöne neue Datenwelt zu hoch gesetzt seien. Nach Berechnungen der Bank muß Vodafone in den nächsten acht Jahren die Einnahmen aus dem Datentransport um jeweils 29 Prozent erhöhen, um für die Gesamteinnahmen jährlich nur eine Steigerung um 7 Prozent zu schaffen. Daß der Konzern in der vergangenen Woche ankündigte, die Einführung seiner Technik der nächsten Mobilfunkgeneration (3G) in Japan um sechs Monate zu verschieben, ist dabei alles andere als hilfreich.

Tröstlich ist allein, daß die Kursbewertungen im britischen TMT-Bereich jetzt wieder realistischer werden. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist in den vergangenen zwei Jahren von mehr als 50 auf gut 20 gesunken. Bei den Aktien außerhalb des TMT-Bereichs liegt das durchschnittliche KGV in diesem Zeitraum recht stabil bei 15 bis 16.

Viele Analysten geben sich nach außen weiter zuversichtlich und sagen, daß der FTSE 100, der am Mittwoch bei rund 5160 Punkten notierte, in diesem Jahr noch die Grenze von 6000 durchbrechen könne. Hinter vorgehaltener Hand aber wird eingeräumt, daß man die im Dezember und Januar veröffentlichten Prognosen ungern ändere, denn dann riskiere man ja, zwei- oder dreimal falsch zu liegen. Keine Frage aber sei, daß die ersten vier Monate dieses Jahres eine Enttäuschung waren.

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